Erste Operation

 

Am 25.01.2010 fuhren wir also los ins St. Getrauden Krankenhaus. Auf dem Weg dorthin sagte Anni noch zu uns, "Ach ist doch nicht so schlimm, morgen werd ich operiert, dann nehm ich bisschen Thalidomid und dann ist alles wieder gut". Diesen Satz werd ich nie vergessen. Am 25.01. wurden wir also aufgenommen und alle Voruntersuchungen wurden gemacht. Am 26.01. folgte dann die Operation. Diese hat ungefähr 7 Stunden gedauert. Dann konnten wir endlich zu Ihr auf die Intensivstation. Wir hatten vorher noch nie Erfahrungen sammeln können. Keiner von uns war vorher je im Krankenhaus. Anni war ansprechbar jedoch ging es Ihr sehr schlecht. Ihre Werte spielten verrückt und sie hatte keine Kontrolle über Ihren Körper. Den Kopf drehte sie nach rechts oben und auch Ihre Augen starrten in diese Richtung. Arme und Beine krampften sehr stark. Das strengte Sie so sehr an, dass sie dadurch fieberte und stark schwitzte. Wir konnten nicht mehr tun als Ihr die Hand zu halten. Um diese Schübe wieder runterzufahren bekam Anni zwischendruch immer wieder hochdosiert Cortison. Mit anderen Medikamenten wurden die übermäßigen Körperanstrengungen reduziert.

Nach etwa 3 Tagen normalisierte sich Ihr körperlicher Zustand. Die verdrehten Augen, die schräge Kopfhaltung und die Arm- und Beinkrämpfe blieben allerdings. Auch Anni's Verstand spielte ein wenig verrückt. Für gewisse Dinge benutzte sie plötzlich andere Wörter, wie zum Beispiel "Mein Kiwi tut weh" und meinte damit Ihren Kopf. Sie war aber stabil genug um auf die normale Station verlegt zu werden. Hier muss man dazu sagen, dass es im St. Getrauden Krankenhaus keine extra Kinderstation gibt, sondern sich Professor Vogel selbst eine aufgebaut hat. Sein Herzblut hing und hängt schon immer bei den Kindern. Eine halbe Station wurde extra dafür eingerichtet. Ein Team von 6 sehr fähigen Krankenschwestern betreute hier nur die Kinder und Jugendlichen.

Professor Vogel erklärte uns, daß der Tumor aus zwei Teilen bestand, einem aktiven und einem inaktiven verkalkten Teil. Den aktiven Teil konnte er entfernen, also etwa 50 %. Auf dem Bild ist dies gut zu erkennen. Im Stirnbereich sieht man sehr deutlich, dass dort ein großer Hohlraum ist. Dieser bildet sich, nachdem der Kopf geöffnet wurde. Wie ein Vakuum das zusammenfällt. Es dauert eine Weile bis sich das Gehirn wieder ausdehnt und den Platz ausfüllt.

 

Wir stellten fest, dass Anni vieles nicht mehr konnte. Sie hatte keine Kontrolle mehr über Ihre Beine und konnte auch nicht mehr sitzen und Ihren Kopf oben halten. Mit den Augen hatte sie weiterhin Probleme, sie standen jetzt zwar nicht mehr nach rechts oben, aber richtig bewegen konnte sie sie auch nicht. Sie konnte sie zwar nach rechts und links bewegen, aber nicht nach oben und unten. Ihre Hände machten auch was sie wollten, sie mussten ständig was zu tun haben. Wenn wir Ihr zum greifen einen Apfel in die Hand gegeben haben, nach ner halben Stunde hatte sie dann mit dem Zeigefinger tiefe Löcher gegraben. Oder sie hat von Plüschtieren den Stoffbelag komplett abgekratzt. Sie waren einfach ständig in Bewegung. Ihren Halsvenenkatheter, über den Ihr Medikamente gegeben wurden, hat sie sich auch mit Ihrer, wir nannten sie Elsterhand, zweimal rausgezogen. In den nächsten zwei Wochen besserte sich dies aber. Anni war ab da auch inkontinent und musste Windeln tragen.

Auch Ihre Fantasie machte uns Anfangs Angst, andererseits brachte sie uns aber auch zum schmunzeln. Sie war überzeugt davon 20 Jahre alt zu sein und demnächst zu heiraten und zwar Giovanni, Ex Sänger von Brosis. Sie fragte mich, ob ich denn auch schöne Fotos machen würde. Oder sie erzählte uns, dass Ihre Eltern auch bald kommen würden, Geschwister habe sie auch noch. Als sie nachts einmal aufwachte drehte sie sich zu meiner Frau ( sie schlief immer bei Ihr im Zimmer) und fragte, welches A.......loch denn hier neben Ihr liege. Zu den Mahlzeiten bestellte sie sich manchmal ungewöhnliche Sachen wie z.b. einen Cafe´Crema oder schwarzen Tee mit Zitrone. Sowas hatte sie vorher nie getrunken. Das verging aber auch alles ziemlich schnell.

Nachdem wir also auf der normalen Station waren, begann auch die Physiotherapie. Sie wurde täglich aus dem Bett genommen und aufgesetzt. Gehübungen wurden gemacht. Wenn ich noch daran denke, sie konnte wirklich nicht einen Schritt selber machen und die Füße waren verdreht. Immer wenn es Ihre Kraft zuließ übten wir, mit den Therapeuten aber auch allein. Man wie stolz Sie war, als sie erstmals wieder alleine stehen und einige Schritte gehen konnte. Sie hat es geschafft mit viel Willenskraft wieder alleine zu laufen und sich auch sonst  wieder gut zu bewegen, hatte geschafft wieder Ihren Kopf normal zu halten. Das Problem mit Ihren Augen bestand allerdings weiterhin. Sie konnte nicht nach oben oder unten schauen. Wenn sie nach unten sah, Ihren Kopf also nach unten neigte, blieben Ihre Augen weiter in der horizontalen Ausgangsposition. Uns wurde gesagt, das bessert sich mit der Zeit. Insgesamt waren wir glücklich, daß Anni so gute Fortschritte machte. Auch das Ergebnis der Operation war zufriedenstellend. Der Tumor war raus, was drin blieb ist nur ne Verkalkung und störte nicht weiter.

Doch dann kam der erste Rückschlag ! Anni hatte, was üblich ist nach so einer Operation, eine Drainage zusätzlich zu Ihrem Shunt liegen. Die Drainage ist ein dünner Schlauch der noch zusätzlich im Kopf liegt um die Reste die nach so einer OP anfallen, aus dem Hirnwasser zu spülen. So ein Schlauch birgt natürlich die Gefahr, dass Erreger das Gehirn erreichen. Und das geschah leider auch. Anni zog ihren Kopf stark in den Nacken und Ihre Augen starrten wieder starr nach rechts oben. Ihr Hirnwasser wurde geprüft und es wurden Staphylokokken entdeckt, ein weit verbreiteteter Krankenhauskeim. Mir war sofort klar, Anni hatte sich eine Meningitis eingefangen. Es wurde sofort mit einer Antibiotikabehandlung begonnen und die Erregeranzahl wurde täglich überprüft. Nach etwa zwei Wochen ist dann die Drainage gezogen worden und die Narbe wurde verschlossen. Man ging davon aus, die Meningitis sei ausgeheilt.

Wir mussten uns nun auch Gedanken machen, wie geht es weiter. Was machen wir nun, wir können ja nicht einfach so nach Hause gehen und das wars. Proffessor Vogel, der seine Patienten auch nach der Operation weiter betreut, riet uns, mit Temodal als Chemotherapie zu beginnen. Dazu las ich viel im Internet und telefonierte viel mit anderen Onkologen und Krankenhäusern. Überall wurde uns gesagt, Kinder werden nach der HIT 2000 Studie behandelt und man hat damit die besten Erfolge. Diese Studie ist simpel aufgebaut. Operation,Bestrahlung,Chemotherapie schon beginnend mit der Bestrahlung. 6 Wochen nach Ende der Bestrahlung schaut man sich dann das erste Ergebnis an. Ein anderes Problem war, dass uns kein Onkologe oder sonst wer, einfach Temodal verschrieben hat. In einer onkologischen Praxis wird man erst mit 18 Jahren aufgenommen. Kinder und Jugendliche müssen in einem Krebszentrum behandelt werden. Hin- und Hergerissen zwischen den Meinungen und nicht vielen Optionen entschieden wir uns also zur weiteren Behandlung in die Kinderonkologie Klinikum Berlin Buch zu gehen. Im Nachhinein habe ich mich später sehr darüber geärgert, dazu mehr im nächsten Teil.

 

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